Hab Acht, was kommt aus dem bösen Wald.

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Eigentlich sollte der leidige Abstecher in die Zivilisation problemlos von statten gehen. Genau genommen verhält es sich mit einem Besuch in Thal auch eher als strecke man einen Zeh in den seichten Rand der Zivilisation. Das Dorf und die dazugehörige Burg sind die einzigen Orte innerhalb mehrerer Tagesmärsche, die genug Menschen und Dächer aufweisen um einen Namen zu haben.

Die Leute kennen ihn als den kleinen kurzangebundenen Mann, der jedes halbe Jahr hier durchkommt und Wildbret dabei hat. Nur eine besonders grässliche alte Schachtel schenkt ihm jedes Mal einen vernichtenden Blick der ihn vom ersten Schritt durch die Pforte an verfolgt bis er dem Dorf den Rücken kehrt. Normalerweise ignoriert er sie, weil er weiß, dass sie das ärgert.
Aber heute stimmt etwas nicht.

Die Leute starren ihn an als gehe ein übler Geruch von ihm aus. Am liebsten würde er auf der Stelle kehrt machen, aber das würde erst recht Misstrauen erregen. Am Besten erledigt er so schnell wie möglich die üblichen Transaktionen und verschwindet dann von hier wie der sagenumwobene harmlose und unschuldige Wanderer den es bestimmt irgendwo gibt.
Er ist keine drei Schritte im Dorf, da kann er seinen Plan bereits auf den traurigen Haufen werfen, auf dem alle Pläne nach einer Berührung mit der Realität landen.

Drei Leute stehen nebeneinander auf der einzigen Straße und zwingen ihn stehen zu bleiben.
Es handelt sich um zwei Bäuerinnen mit Armen die Ardagh vermutlich in der Mitte entzwei brechen könnten und einen Bauern dessen Gesicht von der Arbeit im Freien die Farbe und Konsistenz von Leder angenommen hat. Leute also, die eigentlich den ganzen Tag Besseres zu tun haben sollten, als auf der Straße herumzulungern und unbescholtenen Wanderern aufzulauern.
Sie halten inne bei etwas, das ihren Gesichtern nach eine hitzige Debatte gewesen ist und richten ihre Aufmerksamkeit auf den Neuankömmlig.
Und dann stellen sie ihm Fragen, jeder hat eine und keiner will zulassen, dass er die Frage davor beantwortet bevor die eigene gestellt ist.
"Du bist der kleine Jäger oder?" "Wie war noch dein Name, so ein fremdländischer war das doch." "Sag mal...  Kommst du vom Schafkopf herunter? Wohnst du da in der Nähe?"
Ihre Minen verraten, dass sie jede Antwort mit höchstem Misstrauen in Zweifel ziehen werden.
"Ich hab keine Zeit zum Tratschen. Habt ihr keine Arbeit?", fragt er bissig.
Er beschließt, sich an der Gruppe vorbei zu schieben.

"Nicht so schnell, Freundchen!" Eine Hand schließt sich um seinen Oberarm.
In seinem Magen breitet sich eine scheußliche Übelkeit aus, als würde die Welt unter seinen Füßen schwanken.
Er reißt sich so heftig los, dass er einen Schritt zurück stolpert.
"Keh."
Er richtet sich auf und versucht so herablassend und bissig wie möglich zu klingen.
"Wenn mein Geld hier nicht mehr erwünst ist, dann werde ich zusehen, dass ich es anderswo unterbringe."
Mit einer Handbewegung löst er die Rebhühner vom Gürtel und wirft sie vor den dreien auf die festgetretene Erde. Sie machen ein klägliches staubiges Geräusch.
"Die könnt ihr haben. Mich seht ihr nie wieder!"
Während die Dörfler verdutzt starren, wirbelt Ardagh herum und hastet - nein, stolziert zum Tor zurück.
Dort entdeckt er den Knecht mit dem Bündel Zaunmaterial. Er muss ihm gefolgt sein.
Ardagh wirft ihm einen so bösen Blick zu, dass der Mann eigentlich in Flammen hätte aufgehen müssen, aber er starrt ihn nur an und murmelt etwas. Ardaghs Schritte beschleunigen sich, als er ein paar Worte erkennt. Zwischen den nassen Brummtönen hört er "Hexen vom Wyrmwald".
Eine junge Bäuerin stapft mit einem gackernden Huhn im Arm an ihm vorbei, aber er ist so mit nach vorne starren und nicht rennen beschäftigt, dass er ihren Gesichtsausdruck nicht einschätzen kann. Zu seiner Erleichterung, aber auch gelinden Überraschung tritt sie ihm nicht in den Weg.
Stattdessen schilt sie den Knecht einen Narren.
"Fasel kein dummes Zeug! Zurück zum Hof und reparier die Zäune!  Marsch!"
Ardagh wagt nun doch einen Blick aus dem Augenwinkel.
Die Frau, sie ist viel jünger als der Knecht und schickt ihn trotzdem herum wie einen kleinen Jungen. Die roten Strähnen, die sich aus dem Zopf befreit haben, erinnern ihn an die Leute aus seiner Heimat. Aber unter all dem Schmutz kann man nicht erkennen, ob sie Sommersprossen hat.
 Sie glaubt, dass niemand etwas bemerkt, als sie sich verstohlen hinter ihrem zappelnden Huhn bekreuzigt.
Falscher Fehler, Fräulein. denkt Ardagh grimmig. Auf dem Land sieht jeder alles.
Er spürt die Blicke ganz deutlich im Nacken.
Als er am letzten Häuschen vorbei kommt, hält er im Schatten neben der wackligen Scheune nach der scheeläugigen Alten ausschau. Vielleicht hat sie den Ärger hier angezettelt.
Dass er sie noch immer nicht entdeckt, macht alles irgendwie noch bedrohlicher.
Sein Herz klopft als ob es jemand mit einem Dreschflegel bearbeitet, aber er schafft es durchs Tor und die Kurve der Straße entlang ohne zu rennen.

Als er die Straße entlang eilt, ruft ihm der Lukas etwas zu und kommt vom Bach herauf gesprungen.
Ardagh will eigentlich so schnell weiter wie er kann, aber er zwingt sich stehen zu bleiben. Bloß nicht flüchten.
Lukas wirkt verlegen. "Tschuldigung, aber ich darf nicht mehr mit dir reden. Alle haben Angst."
Ardagh schnaubt.
"Die Leute haben immer vor irgendwas Angst.", sagt er bitter.
Der Junge schüttelt den Kopf.
"Diesmal isses anders. Die Hexen vom Wyrmwald schicken böse Ungeheuer aus. Wie in der Geschichte mit dem großen Lindwurm. Oben in Trautenbach haben die Monster Leute gerissen."
Für jemanden, der nicht mit ihm sprechen darf, ist der Bengel ziemlich gesprächig. Ardagh fühlt noch immer die Blicke des Dorfes im Nacken, obwohl er außer Sichtweite ist. Aus purem Trotz verschränkt er die Arme und hofft, dass es lässig wirkt. Seht ihr, wie ich überhaupt keinen Grund habe, vor euch zu fliehen?
Der Kleine kneift die Augen zusammen und schnieft.
"Weißt du, was ich glaube?", fragt er in verschwörerischem Tonfall.
"Eine Menge Unsinn.", antwortet Ardagh trocken. "Aber überrasch mich."
"Ich glaube, du bist kein normaler Jäger."
Die Stimme des Jungen senkt sich zu einem genüsslichen Flüstern, "Du jagst Hexen!"
"Aha."
Ardaghs Finger zucken zusammen. Sein Gesicht bleibt ausdruckslos. Und im nächsten Moment wird ihm klar, dass er sich gerade dadurch verrät und versucht überrascht zu wirken.
"Deswegen die Amulette unter deinem Hemd.", erklärt Lukas flüsternd mit den leuchtenden Augen eines Kindes, das ein aufregendes Geheimnis mitteilt. Dann zieht er eine wissende Miene "Aber du wirst sie nicht erwischen."
"So?", fragt Ardagh, "Warum denn nicht?"
"Weil sie fliegen.", erklärt Lukas und bläst seine Hühnerbrust auf vor Wissensstolz.
"So?", fragt Ardagh erneut. Diesmal ist er tatsächlich ein wenig überrascht. Das ist ja allerhand, was man so erfährt.
"Ich weiß einiges über Hexen. Kennst du die Geschichten von hier?"
Der dringende Wunsch gerade von hier zu verschwinden findet einen unerwarteten Widersacher in der Neugier und dem Argwohn.
"Fressen sie Kinder?", fragt er bissig.
Der Junge ignoriert die Bemerkung. Er klettert auf den Zaun, wo er die Beine baumeln lässt und mit seinem Vortrag loslegt.
"Also, die Hexen machen lauter seltsame Dinge im Wald, die was mit Hexerei zu tun haben und kochen immer ekliges Zeug in blubbernden Kesseln. Und damit machen sie Leute krank und  schicken böse Zauber aus dem Wald und den Sümpfen her, damit die Menschen weggehen. Weil sie wollen nämlich die ganze Gegend für sich haben, damit die Teufel und Dämonen frei herumlaufen können. Weil die Gebete in der Kirche sind für die wie ... wie gekochter Rosenkohl.
Aber als ganz ganz früher die Leute sich nicht wegscheuchen lassen haben, da haben sie dem Teufel was vorgesungen und der hat ihnen ein Monster geschickt. Und das hat alles gemacht, was sie gesagt haben!". Im Gesicht des Jungen spiegelt sich die ehrliche kindliche Begeisterung die jeden Zehnjährigen bei dem Gedanken an ein folgsames Ungeheuer erfasst.
"Aber eine von denen muss es erst zur Welt bringen damit sie es losschicken können um Leute zu fressen und das ist ziemlich unpraktisch.", erklärt der kleine Gelehrte weise, bevor er mit der Geschichte fortfährt.
"Aber damals ritt ein Ritter los, mit einem eigenen Pferd und einem großen Schwert! Aber ich glaub, der Drache hat das Pferd gefressen. Ich weiß aber nicht, was mit dem Schwert passiert ist, weil er hat dann angefangen zu beten. Und im letzten Augenblick - BUUMM!" Eine kleine Faust schlägt in eine Handfläche, der Zaun knarrt bedrohlich unter den wilden Schaukelbewegungen der Beine.
"Fällt ein riesiger Steinklotz vom Himmel und der Drache ist Matsch! Deswegen liegt der Felsbrocken so weit weg vom Gebirge. Naja und dann hat der Ritter da drauf die Burg gebaut. Und sie hat einen ganz großen Turm und eine Kapelle die sogar eine Glocke hat die man hören kann! Der Herr Gerwaldt ist da jetzt der Baron. Und der beschützt uns und so, aber sein Pferd ist ganz normal groß und er zieht nie sein Schwert wenn er hier vorbei reitet."
Der Junge legt die Stirn in Falten und bohrt in der Nase, als versuche er dort den verlorenen Faden wieder zu finden.
"Das ist alles schon eine Weile her.", hilft Ardagh ihm auf die Sprünge.
"Oh, ja. Und jetzt ist eben wieder so ein grusliges Monster unterwegs das frisst die Leute in der Nacht, weil die Hexen das sagen."
Scheinbar spart der Junge sich seine Aufregung für den Moment auf, an dem sich herausstellt, dass es sich bei dem derzeitigen Untier ebenfalls um einen Drachen handelt.
Ardagh nickt grimmig.
"Die Hexen, hm? Dann werde ich ab jetzt noch vorsichtiger sein."
Blubbernde Kessel und böse Ungeheuer, soso. Sind wir jetzt soweit.

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Nov 4, 2021 18:29

Jetzt hab ich "Red nicht mit den Ziegen da!", weil mein Hirn isch müde. xD

Nov 5, 2021 05:54

Hasten, Stolzieren - fast des gleiche. xD